Off Canvas sidebar is empty

Reiden als Pressestandort im 20. Jahrhundert

«Oberwiggertaler» und «Luzerner Nachrichten» - zwei Lokalzeitungen in der «Metropole des Wiggertals»

Spezialausstellung im Dorfmuseum Langnau-Mehlsecken-Reiden, Frühjahr 2025

b) Der «Oberwiggertaler» bis zur Epochengrenze 1981
Wie bei vielen Lokalzeitungen in dieser Zeit funktionierte auch Martin Frei (1876–1934) als Drucker, Verleger und Redaktor in einer Person. Er produzierte seine Zeitung zuerst in gemieteten Räumen, bis 1905 in einem Anbau der späteren Metzgerei Lerch, danach in der Liegenschaft Elmiger an der Hauptstrasse. Mit der Zeit erhielt er Hilfe durch seine aus Reiden stammende Frau Anna Schürmann, einen Lehrling und einen angestellten Typographen (Setzer/Drucker). Der Betrieb florierte, das Format der Zeitung wurde mehrmals vergrössert. Schon 1911 konnte Frei einen Neubau im Ausserdorf beziehen. In den 20er-Jahren wurden eine Setzmaschine und eine Schnellpresse angeschafft. Gebeutelt durch die strenge Arbeit und die wirtschaftlichen Sorgen nach dem
Zusammenbruch der Volksbank Reiden erlag Martin Frey im Oktober 1934 einem Herzschlag. Seine Erben verkauften das Geschäft im Frühjahr 1935 an Albert Meyer (1901–1981). Der hatte bei dem von seinem Vater gegründeten «Trienger Anzeiger» Berufserfahrungen gesammelt und steuerte den «Oberwiggertaler» mit einigen Innovationen erfolgreich durch die Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Zeitung wurde jedoch bis 1981 weiterhin mit Bleisatz und im Buchdruckverfahren hergestellt. 1969 überliess Albert Meyer die Geschäftsleitung dem Sohn Othmar Meyer (1936-2023). Dieser erneuerte und erweiterte die Druckerei und konnte 1981, im Todesjahr des Vaters, das neue Betriebsgebäude vis-à-vis beziehen. Der «Oberwiggertaler» wurde nun im neuen Gebäude mit Fotosatz produziert, der Druck auf Offsetmaschinen musste jedoch bei auswärtigen Partnern erfolgen.
Meyer Albert Verlag Oberwiggertaler

c) Die «Luzerner Nachrichten» und das «Luzerner Volksblatt», 1913-1990
Die zweite Reider Lokalzeitung erschien ab Dezember 1913 als Stimme der liberalen Kreisparteien im unteren Amt Willisau und wollte als Publikationsorgan für die Gemeinden Reiden und Dagmersellen dienen. Produziert wurde es zuerst zweimal, ab Dezember 1915 noch einmal pro Woche von Heinrich Albrecht am Platz der späteren Garage Steger (Bahnhofstrasse 1). Über den Drucker wissen wir ausser dem Namen kaum etwas, vermuten aber, dass es sich um einen jungen Berufsmann handelte, der nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten und vielleicht auch politischen Dissonanzen mit der liberalen Redaktionskommission 1916 Reiden verliess und gut 15 Jahre später im Zürichbiet den parteilosen «Anzeiger von Wallisellen» gründete. Im September 1916 trat der aus einer Buchdruckerfamilie im Rheintal stammende Alfred Vetter (1889–1952) an Albrechts Stelle.
Druckerei Luzerner Nachrichten ReidenAlfred Vetter war auch politisch tätig und wurde 1933 für die Freisinnige Partei in den Grossen Rat gewählt. Allerdings musste er noch im gleichen Jahr zurücktreten und geriet infolge des Zusammenbruchs der Volksbank Reiden selber in Konkurs. 1934 verliess er Reiden. 1952 starb er in Schaffhausen an Herzversagen.
Liberale Geldgeber gründeten daraufhin die Buchdruckerei Luzerner Nachrichten AG. Diese übernahm Vetters Liegenschaft und druckte das Blatt dort bis 1979. In den 1960er Jahren fand die nun vom gelernten Schriftsetzer Josef Meier (1931–2001) redigierte Zeitung Aufnahme im einträglichen Inseratenpool «Luzerner Landanzeiger» (bis 1981). Bei der Leserschaft lag sie allerdings stets an zweiter Stelle; 1969 betrug ihre Auflage nach eigenen Angaben rund 2400 Exemplare (gegenüber ca. 3200 beim «Oberwiggertaler»).
1979 übernahm die Luzerner Firma Keller und Co. AG, welche die liberale Tageszeitung «Luzerner Tagblatt» herausgab, den Druck und vier Jahre später auch das Verlagsrecht der «Luzerner Nachrichten». 1985 legte sie diese mit dem «Willisauer Volksblatt» zusammen und liess unter Meiers Redaktion das Nachfolgeprodukt «Luzerner Volksblatt» erscheinen. Aus Spargründen musste die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Keller und Co. AG ihre Regionalzeitung Mitte 1990 eingehen lassen.
Nach dem Verkauf des Verlagsrechts 1983 beschränkte sich die Firma «Luzerner Nachrichten» auf den Kundendruck und zog von der Friedmattstrasse an die Hauptstrasse, wo sie in der ehemaligen Käserei ein neues Domizil fand. 2001 verkaufte sie den Druckbetrieb an die Zofinger Tagblatt AG und widmete sich fortan der Verwaltung der Liegenschaft.
Druckerei Luzerner Nachrichten Hauptstrasse 59

d) Das Ende der Reider Lokalpresse
Seit 1979 wurden die «Luzerner Nachrichten» nicht mehr in Reiden, sondern in Luzern bei der Keller & Co. AG gedruckt. 1981 verzichtete auch der «Oberwiggertaler»-Verleger Othmar Meyer auf die Anschaffung einer eigenen Offsetmaschine für den Zeitungsdruck. Dieser erfolgte nun zuerst ebenfalls bei Keller in Luzern, später beim «Willisauer Boten» in Willisau und zuletzt bei der Zofinger Tagblatt AG in Zofingen.
Als Zeitungsverleger produzierte Othmar Meyer aber weiterhin den Satz und war für den Inhalt des «Oberwiggertalers» verantwortlich. Mit einem umfangreichen Jubiläumsheft feierte er 2002 das 100-jährige Bestehen seines Blattes. Doch 2008 verkaufte der Seniorchef das Verlagsrecht an den Druckpartner aus Zofingen. Die Zofinger bauten das Blatt zu einem professionell redigierten Gratis-Anzeiger mit Verbreitungsgebiet im Nordwestteil des Kantons Luzern um. Neben der Auflage von knapp 16 000 Exemplaren war dieser auch online kostenlos einsehbar. Im Februar
2020 brach die ZT Medien AG das Experiment ab.
In Bezug auf die Lokalpresse war die Gegend um Reiden in den 2000er-Jahren zwischen den Zeitungsverlagen von Zofingen und Willisau hart umkämpft. 2001 erwarb die Zofinger Tagblatt AG den Druckbetrieb der «Luzerner Nachrichten AG» an der Hauptstrasse 61 und richtete dort eine Lokalredaktion für ihr Luzerner Zielgebiet ein.
Der Verlag des «Willisauer Boten» wiederum lancierte 2004 eine Splitausgabe für dieses Zielgebiet unter dem Namen «Wiggertaler Bote» (bis 2013). Die Zofinger gruben daraufhin den Namen «Luzerner Nachrichten» wieder aus und liessen 2007 unter diesem Titel ein Kopfblatt des «Zofinger Tagblatts» für die Luzerner Nachbarschaft erscheinen. Das Redaktionsbüro wechselte 2009 noch für ein paar Jahre in die ehemalige Drogerie Troxler, bis die Lokalredaktion nach Zofingen zurückberufen wurde. Im Februar 2020 wurde das Kopfblatt «Luzerner Nachrichten», zeitgleich mit dem Gratisprodukt «Oberwiggertaler», von der ZT Medien AG eingestellt. Damit endete das letzte Kapitel der Lokalpresse am Standort Reiden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich die 1902 und 1913 in Reiden gegründeten beiden Lokalzeitungen dank des dort vorhandenen animierten Geschäftslebens eine Existenz sichern konnten. Dass es sogar für zwei reichte, ist dem starken politischen Gegensatz zwischen Konservativen und Liberalen zu verdanken. Die durch den Zusammenbruch der Volksbank Reiden 1933/34 ausgelöste grosse Krise traf die stark vom Gedeihen der lokalen Wirtschaft abhängigen Druckereibetriebe allerdings stark. Der eine Verleger ging Konkurs, der andere erlag einem Herzleiden. Doch der Wirtschafts- und Finanzplatz Reiden erholte sich, und auch die beiden Zeitungen erschienen unter neuer Führung weiter. Mit ihren Kommunikations- und Werbemöglichkeiten trug auch die Lokalpresse das Ihre dazu bei, dass sich Reiden zeitweilig tatsächlich als «Metropole des Wiggertales» sah. Der kostenintensive Übergang zum Offsetverfahren machte dem Zeitungsdruck in Reiden in den 80er-Jahren ein Ende. Doch erst die im 21. Jahrhundert um sich greifende Krise der gedruckten Presse brachte das lokale Zeitungswesen in Reiden definitiv zum Erliegen.